Buchen-Kathedrale

„Buchen-Kathedrale“ ist ein Erfahrungsbericht über einen meiner Solo-Spaziergänge in der Natur.


Neugierig folge ich dem Holzschild, auf dem die Buchstaben „NSG Metzger“ eingekerbt sind. Meine Vorfreude steigt. Werde ich sie finden?

Bereits nach wenigen Schritten verschlägt es mir den Atem. Erst einmal, weil es steil bergauf geht, kurz darauf angesichts der Baumriesen um mich herum. Haushoch ragen ihre glatten Stämme kerzengerade in den Himmel. Eine Buche schöner als die andere. Weit oben bilden ihre Kronen ein grünes Blätterdach, durch das die Sonne kaum bis zum Boden durchdringt. Immer wieder bleibe ich schnaufend stehen, staune, lächle.

Die Stämme stehen weit auseinander, so als würden sie respektvoll Abstand zueinander halten. Sympathisch, denke ich, jedem wird sein Freiraum gelassen. Ihre Kronen dagegen vereinen sich, als ob sie sich die Hände reichen, sich umarmen. Mit ihren lebendigen, lichtgrün leuchtenden Blättern halten sie Kontakt zueinander, stehen in direktem Austausch.

Andächtig gehe ich weiter und als der schmale Waldpfad flacher wird und ich wieder zu Atem komme, beginne ich zu lauschen. Außer meinem schwächer werdenden Schnaufen, dem Geräusch meiner Tritte auf dem blätterübersäten Waldboden und ein paar vereinzelten Vogelrufen höre ich nichts. Nichts! Wie wunderbar. Dass es so etwas in Deutschland noch gibt. Ich spüre, wie sich mein Herzschlag beruhigt, mein Atmen sich vertieft, ich mich entspanne.

Auf einer großen Buche, die erst vor kurzem umgefallen zu sein scheint, lasse ich mich nieder. Von ihrem breiten Stamm platzt die Rinde ab, wie eine natürliche Holzbank liegt sie da und lädt mich zum Verweilen ein. Ich sitze, lausche, schaue, bin einfach nur da. Es gibt nichts zu tun, die Zeit spielt keine Rolle. Hin und wieder rauscht ein Windstoß durchs Blätterdach. Es hört sich an, als würde eine Welle an den Strand branden und ich spüre, wie der Wind mit meinen Haaren spielt, ganz sanft, sodass sie mich an der Nase kitzeln.

Ein Gefühl von tiefem innerem Frieden breitet sich in mir aus. Hier könnte ich ewig sitzen. Beschützt und gehalten von den alten Bäumen um mich herum, den Duft von Walderde in der Nase. Immer wieder blicke ich ehrfürchtig zu den Wipfeln hinauf, zu dem monumentalen Dach über mir. Es ist, als ob etwas in mir zu diesem Blätterdach hinaufsteigt, sich dort oben mit ihnen verbindet und gleichzeitig frei und luftig wird. Ich spüre die heilsame Kraft der Natur, wie sie in mir wirkt, meine Zellen erfrischt und umsorgt.

Plötzlich kommt mir ein Gedanke. Jetzt weiß ich, woher die Architekten der mittelalterlichen Kirchen ihre Inspiration hatten. Wie eine Kuppel spannt sich das Blätterdach über mir auf, jeder einzelne gerade Stamm eine Säule, die den Himmel zu tragen scheint. Für mich ist dieser Wald eine Kathedrale, ein Ort der Einkehr.

Auch wenn ich weiß, dass die Menschen erst vor knapp einhundert Jahren aufgehört haben, die Natur in diesem Teil des Waldes zu bearbeiten, um sie sich zunutze zu machen, so spüre ich dennoch, wie viel stärker die Kraft der alten Bäume hier ist. Nutzwälder, wie sie auch in dieser Gegend außerhalb des Naturschutzgebietes zu finden sind, fühlen sich anders an, schwächer.

Beseelt mache ich mich auf den Rückweg. Dass ich die Eichen, von denen einige an die 400 Jahre alt sein sollen, nicht gefunden habe, ist mir nicht mehr wichtig. Ich bin mir sicher, ich habe ihre Anwesenheit gespürt.

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