Ich verlasse den asphaltierten Weg und biege auf den schmalen Schotterpfad ein, der sich zwischen den Bäumen verliert. Die Julisonne blinzelt bereits durch die Blätter, noch ist es angenehm kühl. Die kleinen Steinchen knirschen unter meinen Schuhen, ein vertrautes Geräusch, das mich automatisch langsamer werden lässt.

Erst gehe ich noch in meinem gewohnten Tempo, die Gedanken kreisen um den Online-Kurs, den ich gerade mache, um die Module, die ich noch bearbeiten muss für mein neues Produkt. Aber dann bleibe ich stehen. Bewusst. Ich atme die frische Morgenluft tief ein und entscheide mich: Heute will ich wirklich hier sein.

Die nächsten Schritte setze ich langsamer. Viel langsamer. Mit jedem Schritt spüre ich, wie sich meine Aufmerksamkeit weitet. Das vielstimmige Vogelkonzert des frühen Morgens wird lauter – Amseln, Buchfink, Zaunkönige. Hoch oben in einer alten Eiche entdecke ich einen dunklen Schatten. Ein Uhu! Er sitzt regungslos auf seinem Ast, die großen Augen noch wachsam von der nächtlichen Jagd. Wie majestätisch er dort thront, wie selbstverständlich er zu diesem Wald gehört.

Ich verweile und betrachte ihn ehrfürchtig. Seine Anwesenheit berührt mich tief. Seit ein paar Jahren sind sie hier wieder heimisch geworden, diese beeindruckenden Vögel. In mir steigt Dankbarkeit auf – dafür, dass ich ihn entdecken durfte, dafür, dass es sie wieder gibt.

Ich gehe weiter zwischen den hochgewachsenen Sommerpflanzen. Links und rechts blühen wilde Blumen in der Fülle des Hochsommers. Hätte ich sie bei meinem üblichen Tempo überhaupt bemerkt? Die rosa Weidenröschen, die sich stolz recken, die zarten blauen Glockenblumen, die zwischen den Gräsern versteckt wachsen.

Ich bleibe bei einer kleinen Senke stehen. Wie in einer Gruppe versammelt steht dort Johanniskraut. Die gelben Blüten leuchten wie kleine Sonnen im gedämpften Morgenlicht. Als ich mich zu ihnen hinunterbeuge, rieche ich den intensiven Sommerduft – warme Erde, Blütenhonig, das grüne Leben der Pflanzen. Etwas in mir wird weich, ich entspannt mich.

Der Pfad führt jetzt einen kleinen Hügel hinauf. Früher wäre ich schnell hochgegangen, hätte den kleinen Anstieg als Hindernis empfunden oder als sportliche Herausforderung angenommen. Heute gehe ich Schritt für Schritt, spüre meine Beine, meinen Atem. Als ich oben ankomme und mich umdrehe, sehe ich den Weg, den ich gekommen bin. Die Bäume in ihrem vollen Sommerkleid rahmen ihn ein wie ein grünes Tor.

Eine Amsel ruft melodisch durch den Wald. Ihr Gesang untermalt meine Betrachtung, führt mich tiefer hinein in diesen Moment. In diese friedvolle Stille zwischen ihren Tönen, in das goldene Licht, das durch das dichte Blätterdach fällt.

Ich setze mich auf einen umgefallenen Baumstamm am Wegrand unter meine Lieblings-Birke. Von hier aus kann ich den Pfad überblicken, die Sommerblumen betrachten, den Vögeln lauschen. Was ist das für ein Gefühl, das sich in mir ausbreitet? Es ist, als hätte ich etwas wiedergefunden, was ich gar nicht vermisst zu haben glaubte.

Die Langsamkeit hat mir die Augen geöffnet. Nicht nur für das, was um mich herum geschieht, sondern auch für das, was in mir geschieht. Für diese Ruhe, diese Dankbarkeit, diese einfache Freude am Sein.

Ich stehe auf und gehe den gleichen Pfad zurück. Langsam. Sehend. Bei mir angekommen.


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